In der heutigen Ausgabe soll es zunächst um die Begriffe Awareness und Antidiskriminierung gehen. Was genau heißt es überhaupt, Awareness für ein Thema zu fördern, erlangen oder auszuüben? Warum kann Awareness hilfreich sein? Und reicht Awareness aus, um ein menschliches Miteinander zu schaffen, oder braucht es mehr? Was heißt es, sich für Antidiskriminierung einzusetzen? Was gibt es für Diskriminierungsformen? Und wie kann sich Diskriminierung im Alltag äußern?
Vorab ein kurzes Glossar, das das Leseverständnis erleichtern soll:
Awareness
Awareness oder auch Sensibilisierung beschreibt den Prozess, sich etwas bewusst zu werden. Im zwischenmenschlichen Kontext geht es vor allem darum, sich Bedürfnisse verschiedener Menschen, (unter)bewussten Stereotypen oder diskriminierender Strukturen bewusst zu werden, um ein faires, inklusives und angemessenes Miteinander erzielen zu können. Dazu gehört es, die eigenen Privilegien zu erkennen, um das (manchmal unbewusste) Machtgefälle zwischen privilegierten und weniger privilegierten Personen zu durchbrechen. Je nach Situation und Kontext können die Eigenschaften, die eine Person privilegiert machen, sehr verschieden sein. Hautfarbe, Herkunft, Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung, Erkrankung und und noch zahlreiche andere Dinge spielen hier eine Rolle.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Awareness zu praktizieren, und je nach Thema sind verschiedene Ansätze sinnvoll. Braucht es z.B. zunächst Wissen, wie eine Situation barriereärmer gestaltet werden kann? Oder müssen Stereotype und Vorurteile hinterfragt und abgelegt werden? Sind geschützte Räume erforderlich, in denen Personen Unterstützung in belastenden Situationen erhalten? Und reicht Awareness? Oder sollten auch Akzeptanz und Inklusion gefördert werden?
Awareness, idealerweise mit Akzeptanz und Inklusion, ist also erstrebenswert, um das menschliche Miteinander rücksichts- und verständnisvoll, fair und inklusiv zu gestalten.
Diskriminierung
Diskriminierung beschreibt eine Unterscheidung von Menschen, die zu Ausgrenzung oder Benachteiligung für Gruppen oder Personen führt. Dabei können Menschen aufgrund verschiedenen zugeschriebenen Eigenschaften auf verschiedene Weisen diskriminiert werden. Verschränkungen von verschiedenen Diskriminierungen führen zu unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen (Stichwort: Intersektionalität). Wenn die oben angesprochenen Eigenschaften einige Menschen privilegieren, stellen sie eben auch andere Menschen in eine Position, in der sie Diskriminierung erfahren können. Diskriminierung kann direkt mit einer oder mehreren Zuschreibungen zu tun haben und auf individueller Ebene stattfinden, aber gleichzeitig genauso indirekt oder in Strukturen und Systemen verankert sein. Wenn ihr euch mehr mit den unterschiedlichen Diskriminierungsarten beschäftigen wollt, findet ihr unten einen Artikel zu Begriffen und Grundlagen von Diskriminierung/Antidiskriminierung und ein kurzes Erklärvideo zu struktureller Diskriminierung.
Antidiskriminierung
Mit dem Sammelbegriff Antidiskriminierung werden im breiteren Sinne verschiedene Maßnahmen bezeichnet, die das Ziel haben, Diskriminierung zu reduzieren. Dazu zählt z.B., wie oben angesprochen, Awareness, Akzeptanz und Inklusion zu fördern. Aber auch Diversity-Konzepte und Anlaufstellen, die sich für die Belange von Diskriminierung betroffenen Gruppen einsetzen, wie Gleichstellungsbeauftragte, das Familienbüro oder das Büro für die Belange von Studierenden mit Behinderungen und chronischen Krankheiten hier an der Uni, zählen dazu. Unter dem Schlagwort Diversity wird auch an der Uni Hamburg ein Konzept verfolgt, um Diskriminierungen zu verringern. Vorsicht ist geboten, wenn Diversität als bloße Anerkennung von Vielfalt verstanden wird, da dies dazu führen kann, komplexe und strukturell gewachsene Diskriminierungsformen zu verschleiern (Eggers und Auma 2011: 59). So ist auch das Diversity-Konzept der UHH ausbaufähig. Räume für strukturell benachteiligte Gruppen zu öffnen, ohne die Diskriminierungsformen aktiv zu bekämpfen, trägt nicht dazu bei, z.B. eine Lehr- und Lernatmosphäre zu schaffen, in der sich alle wohlfühlen. Im Gegenteil erschafft es den Anschein, tolerant, divers und offen zu sein. Davon profitiert eine strukturell-hierarchische, monetär-organisierte und cis-patriarchalische Institution in den Augen der Öffentlichkeit. Sie kümmert sich jedoch kaum mehr darum, wie es den Menschen geht, von dessen Identitäten sie dadurch profitiert.
Quellen und weitere Informationen
Artikel
- Bundeszentrale für politische Bildung: Diskriminierung/Antidiskriminierung – Begriffe und Grundlagen
- Inhalt: Begriffe und Konzepte zu Diskriminierung, und zum Teil rechtliche Grundlagen und deren Geschichte
- Böhm, J.; Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung; Zivilcourage und Anti-Rassismus Arbeit: Leitfaden zum Umgang mit rassistischen, sexistischen Äußerungen. https://www.uibk.ac.at/gleichbehandlung/service/leitfaden_antidiskriminierung_allg.pdf.
- Inhalt: Begriffserklärungen und Leitfaden zum Umgang mit diskriminierenden Äußerungen
- Eggers, Maureen Maisha; Auma, Maureen Maisha (2011): Interdependente Konstruktionen von Geschlecht und rassistischer Markierung: Diversität als neues Thematisierungsformat?. In: Bulletin Texte / Zentrum für Transdisziplinäre Geschlechterstudien. Humboldt-Universität zu Berlin. Nr. 37. S. 56-70. DOI: https://doi.org/10.25595/120 .
- Hochschulen und Antidiskriminierungsarbeit (Auswahl)
- AStA der Uni Hamburg (Anlaufstelle im Antidiskriminierungsreferat)
- Hochschule Düsseldorf (guter Ansatz, Hinweise auf Beratungsstellen)
- Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (guter Anfang, Fokus auf Beschäftigte und AGG)
- Hochschule Kempten (viele Infos, Fokus eher auf Diversity)
- Klimacamp im Rheinland: Awareness
- Inhalt: Wie wird Awareness beim Klimacamp berücksichtigt? Inklusive gut erklärter Hintergründe, warum Awareness wichtig ist.
Podcast
- The accessible stall, Episode 41: Awareness campaigns, and Colors, 41 Minuten
- Auch als Transkript verfügbar
- Über den Podcast: https://www.theaccessiblestall.com/different-disability-podcast/
- Sprache: Englisch
- Inhalt der Episode: Was bringen Awareness days („Welttage“), Kampagnen und Farben für bestimmte Behinderungen oder Erkrankungen? Inwiefern braucht es Awareness, Wissen oder Akzeptanz?
Video
- von RESPEKT: ein Serien-Format des Bayrischen Rundfunks zu Demokratie, Respekt und Toleranz
- Was ist strukturelle Diskriminierung?: kurzes Erklärvideo (leider ohne Untertitel oder Audiodeskription)
- Wir gegen die Anderen – Warum lehnen wir Fremdes ab?: ca. 30 Minuten (leider ohne Untertitel oder Audiodeskription), zu Gruppengehörigkeit, Privilegien und Diskriminierung
- TED Talk: Kimberlé Crenshaw: The urgency of intersectionality: ca. 19 Minuten
- Sprache: Englisch, Untertitel möglich
- Inhalt: erklärt Bedeutung von Intersektionalität im Kontext der Diskriminierung von Afro-Amerikanischen Frauen.